19: Schweiz

Doppelte Erwärmung

Das Klima der Schweiz hat sich seit Beginn der landesweiten Messungen 1864 bis heute um durchschnittlich rund 2 °C erwärmt – das ist gut doppelt so viel wie im weltweiten Durchschnitt. Damit zählt die Schweiz zu eines der Länder, das besonders stark vom Klimawandel betroffen ist. Hauptverantwortlich dafür ist der menschengemachte Treibhausgasausstoß, allerdings wird das Klima durch mehr als nur die mittlere Temperatur beschrieben. Folgen dieses Klimawandels sind unter anderem der Rückgang der Alpengletscher und daneben noch eine ganze Reihe weiterer Indikatoren wie häufigere Hitzewellen, das Auftauen des Permafrostbodens oder aber die intensiver werdenden Niederschläge und die schneearmen Winter.

Die folgende Abbildung vermittelt einen Überblick über die bisherige Veränderung einiger wichtiger Klimaindikatoren in der Schweiz:

NCCS (2018): Bisher beobachtete Veränderungen des Schweizer Klimas (Stand 2019).

Wo Emissionen steigen, schwindet Zuversicht

Der menschliche Einfluss auf das Klima durch den Ausstoß von Treibhausgasen gilt als Hauptursache der seit 1850 beobachteten globalen Erwärmung. Allein in der Schweiz konnte man zwischen 1900 und 2018 eine Versechsfachung der CO2-Emissionen beobachten, ausgelöst unter anderem durch die Zunahme des Straßenverkehrs und das starke Wirtschaftswachstum des Landes. Im Jahr 2018 lagen die Treibhausgasemissionen bei 46,4 Mio. Tonnen CO2-Äquivalenten, wobei in dieser Zahl nicht mal alle Emissionen enthalten sind, die der Schweiz zuzurechnen sind – es fehlen die Emissionen, die durch den Schweizer Konsum im Ausland verursacht werden.

Die Klimazukunft des Landes und der ganzen Welt hängt demnach maßgeblich von der Entwicklung der globalen Treibhausgasemissionen ab. Gelingt es, diese in den nächsten Jahrzehnten massiv zu reduzieren, wird sich die Schweiz gemäß den neuesten nationalen Klimaszenarien CH2018 bis Ende des Jahrhunderts um 2,1 – 3,4 °C gegenüber dem vorindustriellen Niveau erwärmen. Nimmt der Treibhausgasausstoß hingegen weiterhin zu, könnte die Durchschnittstemperatur in der Schweiz im gleichen Zeitraum um 4,8–6,9 °C gegenüber dem vorindustriellen Niveau ansteigen. Hoffnung bleibt jedoch: Mit konsequentem Klimaschutz ließen sich bis 2060 etwa die Hälfte der möglichen Auswirkungen auf das Klima der Schweiz vermeiden.

BAFU (2020a): Inländische CO2-, CH4- und N2O-Emissionen sowie Emissionen synthetischer Gase (HFKW, PFKW, SF6 und NF3) der Schweiz, in CO2-Äquivalenten, 1900 bis 2018.

Vom Schmelzen und Schwinden

Die Auswirkungen des Klimawandels werden immer sichtbarer, vor allem in der fragilen Gletscherlandschaft der Schweizer Alpen. Seit über 100 Jahren ziehen sich die Schweizer Gletscher zurück. Allein in den letzten 10 Jahren haben sie jährlich zwei Prozent ihrer Masse verloren. Absehbar ist, dass bis Ende dieses Jahrhunderts im Alpenraum nur noch spärliche Gletscherreste übrig bleiben werden, wenn wir den Klimawandel nicht aufhalten. Bei kleineren Gletschern ist dies bereits heute der Fall: Der Pizolgletscher zum Beispiel wird seit 2019 wegen seiner geringen Restfläche nicht mehr vermessen.

SAC (2019): Pizolgletscher vor und nach dem Abschmelzen.

Dieser Gletscherschwund kann primär auf die ansteigenden Sommertemperaturen aufgrund der globalen Erwärmung zurückgeführt werden. In den kommenden Jahren werden sich die Gletscher allerdings unabhängig von der Temperaturentwicklung weiter deutlich zurückbilden: Ihre Ausdehnung ist für das derzeitige Klima einfach zu groß. Bis 2100 ist davon auszugehen, dass – je nach Verlauf der Konzentration der CO2-Emissionen in der Atmosphäre – zwischen 63 % und 94 % des Eisvolumens in den Alpen verschwinden. Die Gletscher werden damit nicht nur ihre Rolle als Wasserspeicher verlieren, sondern auch ihre ausgleichende Wirkung auf den Abfluss von Fließgewässern. Gleichzeitig wird sich ihre Bedeutung für die Produktion von Wasserkraft sowie für den Tourismus ändern.

Das Auftauen des Permafrosts birgt Risiken

Die Klimaerwärmung wirkt sich besonders stark auf die tiefen Temperaturen aus. So haben kalte Tage, Kälteperioden und kalte Jahre in den vergangenen Jahrzehnten abgenommen und die Nullgradgrenze ist angestiegen. Abhängig von diesen kalten Temperaturen ist der Permafrost der Schweiz, der rund 5 % der Landesfläche bedeckt. Ein Permafrostboden ist ein Boden, der dauerhaft gefroren ist. Die Permafrostverbreitung und -veränderung im Hochgebirge ist räumlich sehr variabel und wird beeinflusst von der Topografie, der Bodenbeschaffenheit und der Schneebedeckung. Die Auftauschicht über dem Permafrost beträgt in den Alpen typischerweise wenige Meter und es ist diejenige Schicht, die im Winter gefroren ist, während des Sommers allerdings wieder auftaut. Die ausbleibende Kälte und die damit ansteigende Zahl der Tautage bewirken zum einen den Rückgang des Permafrosts und führen zum anderen zur Destabilisierung des Untergrunds, wodurch es im hochalpinen Raum örtlich zu vermehrten Steinschlag- und Felssturzrisiken kommt. In der Schweiz wurden insbesondere in den letzten zehn Jahren steigende Permafrosttemperaturen gemessen.

WSL (2019): Steinschlag auf einer Schweizer Straße.

WSL (2019): Felssturz in Vitznau in der Schweiz.

Spürbarer Druck auf die Gesellschaft

Der Klimawandel übt einen bereits spürbaren Druck auf die Gesellschaft in der Schweiz aus – mit besonders fatalen Auswirkungen für die menschliche Gesundheit. Die häufiger und intensiver werdenden Hitzewellen wirken sich direkt auf die Gesundheit des Menschen aus. Solche Hitzebelastungen äußern sich meist in Flüssigkeitsmangel oder der Verschlechterung der Herz- oder Lungenfunktion. Ältere Menschen und Säuglinge sind besonders gefährdet. In der Schweiz starben während des Hitzesommers 2003 von Juni bis August 975 Personen mehr als üblicherweise im gleichen Zeitraum. Auch in den Sommern 2015 und – etwas weniger extrem – 2018 wurden erhöhte Sterblichkeitsraten registriert. Besonders krankheitsfördernd sind sogenannte Tropennächte, das sind Nächte, in denen die Minimaltemperatur über 20 °C liegt. Sie sind besonders belastend für den Organismus, denn der menschliche Körper kann sich nicht mehr erholen. In Städten ist das Risiko für solcher Tropennächte stark erhöht: Die durch die Gebäude eingeschränkte Luftzirkulation, die Absorption der Sonneneinstrahlung durch Straßen und Gebäude sowie die Abwärme von industriellen Prozessen, Verkehr und Kühlsystemen führen zum sogenannten städtischen Hitzeinseleffekt. Dieser bewirkt, dass in dicht bebauten Gebieten die Erwärmung tagsüber stärker und die nächtliche Abkühlung schwächer ist als im grünen Umland. Dies ist nicht nur ein Problem der Städte in der Schweiz, sondern eins der allgemeinen Stadtplanung, die sich zukünftig an Klimaveränderungen anpassen muss.

Anpassungen an den Klimawandel

Der Klimawandel hat in der Schweiz bereits zu vielen Veränderungen geführt. Er lässt sich auch in Zukunft nicht mehr verhindern, sondern nur noch begrenzen. Aus diesem Grund wird die Anpassung an die Auswirkungen des Klimawandels in der Schweiz immer wichtiger, die seit 2012 im CO2-Gesetz verankert ist. Anpassungsmaßnahmen, die in diesem Gesetz integriert und vom Bund koordiniert werden, sind beispielsweise raumplanerische Möglichkeiten, um die menschliche Gesundheit vor den urbanen Hitzeinseln zu schützen. Frei- und Grünräume ermöglichen eine verbesserte Luftzirkulation und tragen zur Verbesserung der Luftqualität bei. In einem Projekt in Sitten wurde gleich mehrere Anpassungsmaßnahmen realisiert: unter Einbezug der Schulkinder wurde zum einen ein kühlendes Biotop erstellt. Auf einem Privathaus wurde zum anderen eine standortangepasste Dachbegrünung zur Unterstützung der Biodiversität realisiert. Außerdem wurden zentral gelegene Parkfläche aufgehoben und als attraktiver Platz neugestaltet. Das alles sind Maßnahmen, die in Zukunft für den urbanen Raum weltweit immer wichtiger werden.

Schweizerische Eidgenossenschaft (2017): Begrünung in Sitten als Anpassungsstrategie.

Videos/Bilder

BAFU (2017): Wie kann sich die Schweiz an den Klimawandel anpassen?

SRF Wissen (2020): Bergsturz von Bondo – Wie die Klimaerwärmung die Schweizer Alpen bedroht.

Quellen & Weitere Links