10: Pakistan

Flutopfer aus Pakistan

Im Jahr 2010 traf Pakistan eine der größten Flutkatastrophen aller Zeiten. Heftige Monsunregenfälle lösten eine riesige Überflutung im Indus-Flussbecken aus. 20 % der Landesfläche standen unter Wasser – eine Fläche beinahe halb so groß wie Deutschland. Zwanzig Millionen Menschen waren von der Katastrophe betroffen, über zehn Millionen mussten fliehen, weil sie ihre Häuser und alles, was sie besaßen, auf einen Schlag verloren, 2.000 Menschen starben. Die Flut hinterließ gigantische Verwüstungen: 1,6 Millionen Häuser und 2,2 Millionen Hektar landwirtschaftlicher Anbauflächen wurden zerstört. Die wirtschaftlichen Verluste waren gewaltig. Sie verlieren nicht nur ihr Zuhause und ihre Besitztümer in den Fluten, sondern auch Ackerflächen und Vieh, die die Grundlage für ihre Arbeit in der Landwirtschaft bilden. Mit der Zerstörung der Lebensgrundlagen breitet sich Armut als Folge der Flutkatastrophe aus. In Teilen der betroffenen Gebiete blieb das Wasser länger stehen, sodass zahlreiche Flutopfer monatelang nicht in ihre Heimat zurückkehren konnten. Die Vertriebenen kamen in Geflüchtetenlagern oder provisorisch z. B. in Schulen unter. Verunreinigtes Trinkwasser sowie mangelhafte hygienische und sanitäre Bedingungen bargen die Gefahr einer Ausbreitung von Infektionskrankheiten. Aufgrund der Nahrungsmittelengpässe drohte besonders Kindern die Unterernährung. Die Gesundheitsversorgung brach zusammen, weil Kliniken und Medizinvorräte von den Fluten zerstört wurden. Millionen Menschen waren auf internationale Nothilfe angewiesen. Die Flutkatastrophe 2010 soll allerdings nicht die Letzte gewesen sein: immer wieder wechselten sich seitdem zerstörerische Überschwemmungen und intensive Dürren ab. Allein die jüngste Überschwemmung im September 2020 forderte über 1.000 Menschenleben. Den Grund sehen Forschende im Klimawandel.

Spiegel (2010): Ganze Viertel der Region Nowshera sind von den Überschwemmungen betroffen. Aus der Luft wird das ganze Ausmaß der Zerstörungen sichtbar.

Klimawandel verstärkt Schwankungen des Monsuns

Pakistan wird voraussichtlich zu den Ländern gehören, die in den kommenden Jahrzehnten am stärksten von den steigenden Temperaturen betroffen sein werden. Jüngste gemeinsame Erkenntnisse der Asiatischen Entwicklungsbank und der Weltbank unterstreichen das erhöhte Risiko extremer Klimaereignisse und der Ernährungsunsicherheit. Die Auswirkungen des Klimawandels sind fast nirgendwo so vielfältig wie in Pakistan. Das Potsdam-Institut für Klimaforschung hatte in einer Studie aus dem Jahre 2013 bereits nachgewiesen, dass der Anstieg der Temperaturen weltweit vor allem die Schwankungen des Monsuns verstärkt. Auf starke Regenfälle kann so also extreme Trockenheit folgen und andersrum. Überflutungen während der Monsunzeit sind in Südasien ganz normal, doch durch den Klimawandel hat sich die Dauer des Monsuns erheblich verkürzt. So fallen die Niederschläge nun in einem viel kürzeren Zeitraum und sind so unregelmäßig, dass sie sich langfristig nicht mehr vorhersagen lassen. Deutlich wird hier eine Tendenz: Während die ohnehin regenreichen Gebiete im Norden des Landes zusätzliche Niederschlagsmengen verkraften müssen, bekommen die trockenen Gebiete in Sindh und Beluchistan um bis zu 1,2 % weniger Regen ab. Wenn sich durch den voranschreitenden Klimawandel Land- und Wassermassen weiterhin erwärmen, wird es zu noch heftigeren Niederschlägen kommen. Großflächige Abholzungen im Einzugsgebiet der nordpakistanischen Flüsse verstärken dieses Problem, denn sie führen dazu, dass die Wassermassen ungehindert in die Flüsse fließen können, wodurch die Katastrophe weiter verstärkt wird. Die steigende Anzahl heftiger Überschwemmungen und Dürren stellt für die Menschen in den ländlichen Gebieten Pakistans eine große Gefahr dar.

Trotz Überschwemmungen kein Wasser

Von den Überflutungen sind sowohl die Landwirtschaft des Landes als auch das Trinkwasservorkommen gefährdet. Die große Mehrheit der pakistanischen Bevölkerung lebt und bezieht ihr (Trink-)Wasser aus dem Indus, dem wichtigsten Fluss des Landes, der regelmäßig Überflutungen ausgesetzt ist.

Schon Jahre vor der Katastrophe 2010 nahmen die Regenfälle am Indus zu, während sie in den trockenen Regionen Pakistans abnahmen und vermehrt Dürren verursachten. Die Gletscherschmelze des Himalayas wird die Fluten des Indus künftig verstärken, langfristig aber wird das Wasser auch hier knapper werden. Für die überlebenswichtige Bewässerungslandwirtschaft im Flussbecken hat dies gravierende Konsequenzen. Wassermangel ist heute bereits ein verbreitetes Problem in Pakistan. Damit einhergehend kommt es zu Ernährungsunsicherheiten aufgrund der abnehmenden landwirtschaftlichen Produktion. Durch die Temperaturveränderungen und der dadurch verstärkten Anfälligkeit der Pflanzen kommt es zusätzlich zum vermehrten Auftreten von Schädlingen. In den kommenden Jahren werden immer mehr Menschen unter den Klimarisiken leiden. In Pakistan sowie in anderen südasiatischen Ländern spielen schlechte Umweltbedingungen und Fluten vermehrt eine Rolle bei der Migration, vor allem in die Städte.

Um die Fluten zurückzuhalten, sollen Abholzungen im Flusseinzugsgebiet verhindert sowie Deiche gebaut werden. Außerdem werden Millionen von Bäumen, vor allem Mangroven, gepflanzt, zum Schutz vor Bodenerosion, Bodendegradierung, Dürren und Überschwemmungen. Aber auch neue Gletschermonitoring-Projekte werden gefördert, das die Menschen in Zukunft frühzeitig vor Überflutungen durch Schmelzwasser und Starkregen warnen soll. In Pakistan treffen die drei höchsten Gebirgszüge der Erde zusammen. Mehr als 7.000 Gletscher gibt es hier. Aufgrund des Klimawandels ziehen sich viele von ihnen zurück – mit weitreichenden Folgen. Das Gletscher-Überwachungssystem, das Dr. Parvaiz Naim, Koordinator für den Energiesektor der KfW in Pakistan, aktuell betreut, nimmt dafür die Gletscherregion des oberen Industals mit einem Überwachungssystem ins Visier. Es sollen zusätzlich zu den bereits vorhandenen Wetterstationen in Pakistan 30 neue Wetter- und 13 neue Wassermessstationen errichtet werden, die außerdem die Daten automatisiert übertragen. Mit den gesammelten Daten können Forschende erstens besser verstehen, wie sich die Gletscher verändern und wie ihr Wandel sich auf den Indus auswirkt. Und zweitens können verlässlichere Vorhersagen zum Schutz der Bevölkerung getroffen werden und Anpassungen generiert werden, die Menschen und Natur entlang des mächtigen Stromes schützen.

 

KfW (2018): Der mächtige Indus und seine Nebenflüsse

KfW (2018): Arbeiter befestigen Steine mit Drahtgeflecht. So wird das Ufer geschützt, ohne zu stark in den Flusslauf einzugreifen.

KfW (2018): Parvaiz Naim kontrolliert eine Messstation, die Wetterdaten sammelt.

Videos/Bilder

ZDF (2021): Gletscherschmelze im Himalaya – Pakistans Kampf um Wasser.

Quellen & Weitere Links