09: Nepal

Schmelzende Gletscher

Die globale Erwärmung lässt die Gletscher der Erde schrumpfen – mit verheerenden Folgen. Die rund 10.000 Gletscher des Himalaya-Gebirges sind gigantische Wasserspeicher. Sie speisen viele der größten asiatischen Flüsse wie den Indus, den Tarim und die Zuflüsse des Aralsees und versorgen damit mehr als zwei Milliarden Menschen mit Wasser. Schnee und Eis binden die Niederschläge im Gebirge und geben diese nach und nach in die Flüsse ab. Die Schneeschmelze ist zunächst ein natürliches Phänomen der Sommermonate und wichtig, um die Flüsse mit Wasser zu versorgen. Jedoch verstärkt die globale Erwärmung diesen Vorgang enorm was wiederum in einem Abschmelzen der Gletscher resultiert und somit auch die Unterbrechung dieses natürlichen Vorgangs bedingt. Die Temperaturen im Hochgebirge steigen deutlich schneller, als sie es im Durchschnitt im Rest der Welt tun. Die höher liegenden Bereiche des Himalayas haben sich seit Beginn des Jahrhunderts beispielsweise um fast 2 °C erwärmt, verglichen mit einem durchschnittlichen weltweiten Anstieg von 1 °C. Gefährlich ist die Gletscherschmelze vor allem für die vielen Siedlungen, die sich an Flüssen befinden, die von den Gletscherseen gespeist werden. Mit zunehmendem Schmelzen der Gletscher sammelt sich immer mehr Wasser in den Gletscherseen an. Dort befinden sich oftmals Dämme, die zur Regulierung des Zuflusses in die Dörfer errichtet worden. Diese drohen wegen des erhöhten Wasservolums zu brechen. Folgen wären mitunter heftige Überflutungen, die das Überleben und die Landwirtschaft gefährden.

Antilogvacations.com (2018): Bergkette des Himalayas.

National Geographic (2019): Das nepalesische Dorf Gokyo liegt versteckt am Ufer eines Sees, der zum Teil vom Ngozumba-Gletscher gespeist wird. Die Gefahr einer Überflutung ist hier nicht akut, aber andere Siedlungen im Himalaja sind durch die steigenden Pegel von Gletscherseen bedroht.

Entlang der Flüsse befindet sich fruchtbarer Boden, der für die Landwirtschaft genutzt wird. Solche Gletscherseenausbrüche sind auch deshalb so fatal, weil nur ca. 15 % der Landesfläche überhaupt für die Landwirtschaft geeignet sind. Das hängt im Wesentlichen mit Nepals geographischer Vielfalt zusammen, die von den Bergen des Himalayas, über die Hügellandschaften bis zu den südlichen Tiefebenen reicht. Diese diverse Topographie bringt eine Vielfalt an Flora und Fauna hervor, fordert aber auch eine Lebensweise, die auf dem Erhalt der natürlichen Ressourcen basiert. Menschen und Ökosysteme sind auf das Engste miteinander verbunden. Das Schmelzen der Himalaya-Gletscher bedroht die Existenz der Bewohner der süd- und zentralasiatischen Länder. Viele könnten deswegen in Zukunft gezwungen sein, ihre Heimat zu verlassen.

Die Gefahr durch die Überflutung der Gletscherseen darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass das Schmelzen der Gletscher auch eine Verringerung der Süßwasservorräte bedeutet. Denn mit dem Schmelzen der Gletscher trocknet die Quelle des Wassers aus und der vorher noch intakte Wasserkreislauf kollabiert. Hinzu kommt, dass in den Bergdörfern Nepals im Zuge des Klimawandels die Schneefälle stark zurückgegangen sind. Das Wasser ist knapp geworden, die Menschen stehen vor einer ungewissen Zukunft. Angesichts des Wassermangels ist es nur eine Frage der Zeit, wie lange sie ihre traditionelle Lebensweise beibehalten können. Einen Umzug in die Hauptstadt Kathmandu können sich viele nicht vorstellen. Der Großteil der nepalesischen Bevölkerung lebt in ländlichen Gebieten und ist in der Landwirtschaft tätig. Da die Landwirtschaft vom Regen gespeist wird, sind bereits kleine Schwankungen der Regenzyklen folgenreich für die Menschen. Die starke Abhängigkeit vom Wasserkreislauf und der darauf basierenden Landwirtschaft macht Nepal verwundbar gegenüber dem Klimawandel. Erosion, Erdrutsche, Überschwemmungen und sogar Dürren traten in Folge des ausbleiben-den Sommerregens, in den letzten Jahren vermehrt auf. Die Häufigkeit der Extremwetterereignisse nimmt auch in Nepal zu. Die ersten Gletscher sind bereits verschwunden.

National Geographic (2019): Dingboche ist ein Dorf am Fuße des Himalaya – eines von vielen, das auf das Wasser aus den Bergen angewiesen ist.

Trotz unklarer und komplexer Zusammenhänge zwischen Migration und Klimawandel gewinnt die Migration in Nepal an Bedeutung, insbesondere als Strategie zur Sicherung des Lebensunterhalts. Eine Form der internen Migration ist die “Land-zu-Land- und Land-zu-Stadt-Migration“. Sie geschieht vor allem dann, wenn die Arbeitsbelastung auf den Bauernhöfen und Dörfern zu gering ist, normalerweise zwischen den Erntesaisons und sich die Menschen auf die Suche nach neuer Beschäftigung oder Bildungschancen machen müssen. Aber auch ein neues Phänomen gewinnt immer mehr an Bedeutung: die langfristige Arbeitsmigration ins Ausland, vor allem nach Indien. Die Migration wird aufgrund der historischen, sozialen und kulturellen Bindungen zwischen den beiden Ländern erleichtert und durch die 1.850 km lange offene Grenze zwischen den beiden Ländern begünstigt. Dies hat sich im Laufe der Jahre zu einer wichtigen Lebensunterhaltsstrategie entwickelt, vor allem weil die landwirtschaftliche Produktivität zurückgeht.

Die „Eisstupas“, die den Himalaya bewässern könnten

Der Klimawandel in der indischen Region Ladakh hat die Gletscher geschrumpft und Niederschläge und Temperaturen unvorhersehbar gemacht. Der ladakhische Ingenieur Sonam Wangchuck hat einen Weg gefunden, hoch im Himalaya eine Wüste grün zu machen, und dass mithilfe eines künstlichen Gletschers. Im Frühjahr leiden die Bergbauern, die in der indischen Region Ladakh im Transhimalaja auf 3.500 Metern leben, unter akuter Wasserknappheit. Bedeutet dementsprechend, dass sie in dieser Jahreszeit kaum etwas anbauen können und ihre Erträge verschwindend gering sind. Für dieses Problem entwickelte Sonam Wangchuk eine erstaunlich einfache Lösung: Er legte konische Eishügel, die an die tibetischen Stupas erinnern, aus abfließendem Schmelzwasser an. Diese Eisstupas verhalten sich wie Minigletscher und geben in der Zeit, in der die Pflanzen Bewässerung brauchen, langsam Schmelzwasser ab. Tatsächlich begann sein Prototyp im April zu schmelzen und bewässerte ein Feld mit neu gepflanzten Pappeln. Im Juni, als die reguläre Gletscherschmelze zu fließen begann, war der Eisstupa größtenteils verschwunden, da er dann nicht mehr benötigt wird. Er plant nun eine Pipeline um 50 weitere Eisstupas zu bauen. Jeder von ihnen wird mit je 10 Millionen Liter Wasser jeweils 10 Hektar Land bewässern können. Er hofft mit seinem Projekt den Auswirkungen des Klimawandels auf die Bewohner des Himalayas entgegenzuwirken, damit die zukünftigen Generationen nicht zu Klimageflüchteten werden müssen.

National Geographic (2018): Die „Eisstupas”, die den Himalaya bewässern könnten.

Videos/Bilder

The New Humanitarian (2009): The Gathering Storm – Melting Glaciers.

ZDF (2021): Gletscherschmelze im Himalaya – Pakistans Kampf um Wasser.

Quellen & Weitere Links