11: Grönland

Klimawandel in der Arktis

7 Meter Meeresspiegelanstieg

Die Auswirkungen des Klimawandels sind in den Polarregionen bereits offensichtlich, ihre Rückwirkungen auf das Klima werden die globale Erwärmung weiter vorantreiben. Schon heute schreitet der Klimawandel in der Arktis schneller voran als in der restlichen Welt, die Temperaturen erhöhen sich hier doppelt so stark wie im globalen Durchschnitt. Die polaren Eisschilde und Gletscher schmelzen immer schneller, sodass die Gletscher-Schmelzraten 2019 Höchstwerte erreicht haben. So ist ein großer Eisbrocken von ca. 100 Quadratkilometern aus einem Gletscher in Grönland abgebrochen. Bis Ende des Jahrhunderts könnte die Arktis im Sommer eisfrei sein.

Lexas (2020): Arktische Region

Lexas (2020): Projektion der Arktis auf der Weltkugel

Auf Grönland, wo 80 % der Insel vom Eis bedeckt sind, bilden sich inländische Gletscherschmelzseen, von denen Wasser in die Tiefe absickert. Das Schmelzwasser bildet kleine Ströme unter dem Eis und wirkt wie eine Gleitschicht, die Eismassen in Richtung Küste transportiert. Das Inlandeis Grönlands ist über 100.000 Jahre alt und bis zu 3,2 Kilometer dick, wodurch es ca. 8 % des globalen Süßwassers speichert. In Teilen des grönländischen Eisschilds dürfte laut einer neuen Studie bald ein kritischer Kipppunkt überschritten werden, ab dem ein Abschmelzen kaum noch zu stoppen wäre. Nach bisherigen Modellergebnissen ist laut dem Potsdam-Institut für Klimaforschung das Abschmelzen des Grönland-Eisschildes ab einer kritischen Schwelle der globalen Mitteltemperatur von 0,8 bis 3,2 Grad Celsius über dem vorindustriellen Niveau unvermeidlich. Bedeutet: Wenn diese Temperatur-Schwellenwerte überschritten werden, kann das Abschmelzen dann auch bei einer nur noch begrenzten Erderwärmung weiter fortschreiten. Sollte der gesamte Grönländische Eisschild künftig abschmelzen, könnte dies zu einem Meeresspiegel-anstieg von sieben Metern führen. Zahlreiche Länder würden im Wasser versinken, weltweite Lebensgrundlagen würden zerstört werden und Flucht- und Migrationsbewegungen auslösen. Der Rückgang der polaren Eisschilde ist daher eine der größten Gefahren des Klimawandels. Unter anderem auch durch den Effekt der Eis-Albedo-Rückkopplung: Wo Meereis und Gletscher schmelzen, bleibt eine dunkle Oberfläche zurück, die mehr Sonnenstrahlung aufnimmt und so Eisschmelze und Erwärmung nochmals verstärkt. Das Schmelzen wird auch durch die Wärmeabsorption des Wassers beschleunigt.

Je mehr Eis zu Wasser wird, desto stärker der Temperaturanstieg. Das Abschmelzen der grönländischen Gletscher wird nur schwer zu verhindern sein, selbst bei sofortigem Stopp der globalen Erwärmung. Es verhält sich wie mit Eiswürfeln in einem halb vollen Glas mit Wasser. Schmelzen die Eiswürfel, steigt das Flüssigkeitsniveau nicht an, da die vom Eis verdrängte Wassermenge vom Schmelzwasser eingenommen wird. Dies gilt jedoch nur, wenn Eis und Getränk die gleiche Dichte haben. Ist neben den Süßwasser-Eiwürfeln (wie die Eisberge) in dem Glas Salzwasser wie in den Meeren, steigt der Pegel an, weil das Salzwasser eine höhere Dichte besitzt.

Visualisierung des grönländischen Eisschildes von 2008 bis 2300 basierend auf dem Klimaszenario „Representative Concentration Pathway (RCP) 2.6“. Dies ist das Best-Case-Szenario zur Begrenzung von Treibhausgasen und geht davon aus, dass die Emissionen bis zur Mitte des Jahrhunderts ihren Höhepunkt erreichen und danach zurückgehen.

NASA Goddard (2016): Older Arctic Sea Ice Disappearing.

NASA Scientific Visualization Studio (2019): Greenland View of Simulated Greenland Ice Sheet Response Scenarios RCP 2.6: 2008 – 2300

Zum Vergleich: Visualisierung des grönländischen Eisschildes von 2008 bis 2300 basierend auf dem Klimaszenario „RCP 8.5“. Dieses RCP-Szenario ist durch im Zeitverlauf steigende Treibhausgasemissionen gekennzeichnet.

NASA Scientific Visualization Studio (2019): Greenland View of Simulated Greenland Ice Sheet Response Scenarios RCP 8.5: 2008 – 2300

Permafrostböden tauen

Auch das Auftauen der Permafrostböden hat einen Rückkopplungseffekt auf das Klima. Die jahrtau-sendealten gefrorenen Böden bedecken vor allem Teile Russlands, Chinas, Nordamerikas und Grönlands, kommen aber auch in Hochgebirgsregionen vor. Sie erstrecken sich über rund ein Viertel der Landoberfläche und sind stellenweise bis zu 1,5 Kilometer breit. Die globale Erwärmung lässt die Temperatur der Böden ansteigen und sorgt dafür, dass die aktive Schicht, die regulär im Sommer taut und im Winter einfriert, dicker wird. Dabei gefrieren Teile der aktiven, also aufgetauten Schicht im Winter nicht wieder ein, und es kommt zu einer Degradierung des Permafrostbodens. Bis Ende des Jahrhunderts werden die Permafrostböden stark zurückgehen, mit gravierenden Folgen für das Klima, die Ökosysteme und Menschen in der Arktis. Permafrostböden speichern Treibhausgase und enthalten dadurch zweimal so viel gefrorenen Kohlenstoff wie in der Atmosphäre vorhanden ist. Tauen sie, wer-den enorme Mengen CO2 und Methan freigesetzt. Bis zu 39 % der globalen Treibhausgasemissionen könnte das Auftauen der Böden verursachen und damit massiv zur globalen Erwärmung beitragen. Die Treibhausgase wiederum beschleunigen das Auftauen der Permafrostböden.

An den Küsten verstärkt sich die Küstenerosion durch das abnehmende Meereis und den ansteigenden Meeresspiegel. Hohe Wellen und Sturmfluten nehmen zu. Da die von Erosion betroffenen Permafrostböden das Fundament für die meiste Infrastruktur bilden, ist auch sie in Gefahr und damit auch die ansässige Bevölkerung. Der tauende Boden wird instabil und teils sumpfig. Infrastruktur wie Gebäude, Straßen und Pipelines sind gefährdet. Aber auch die Tier- und Pflanzenwelt ist von den weitreichenden Auswirkungen des Klimawandels stark bedroht. Vegetationszonen verschieben sich Richtung Norden und beeinflussen damit Artenvorkommen. Das schwindende Meereis gefährdet Säugetiere wie den Eisbären, der auf das Eis als Lebensraum angewiesen ist. Darüber hinaus werden neue Gebiete zur Ressourcenförderung, insbesondere von Öl und Gas, in der dünn besiedelten Arktis zugänglich. Einerseits wird damit Lebensraum für viele Arten zerstört andererseits entstehen Spannungen zwischen den Anrainerstaaten um Ressourcen.

Lebensweise indigener Bevölkerungen bedroht

Besonders die indigenen Bevölkerungsgruppen der Arktis, die zehn Prozent der rund vier Millionen Bewohner ausmachen, sind von den Auswirkungen des Klimawandels bedroht. Ihre traditionelle Lebensweise, ihre Kultur und ihr sozialer Zusammenhalt sind in Gefahr, denn sie leben im Einklang mit der Natur, in fragilen Ökosystemen und in Abgeschiedenheit. Der Klimawandel ist für Bevölkerungen wie die Inuit in Grönland und Kanada zur Frage des kulturellen Überlebens geworden. Über Jahrhunderte haben sie sich an die Umweltbedingungen der Arktis angepasst, sie leben von der Jagd, Fischerei und den Rentierherden. Der Klimawandel raubt ihnen den Zugang zu ihren Nahrungsquellen. Traditionelles Wissen um Jagdrouten und Reisewege wird angesichts der veränderten Wetterbedingungen und den neuen Schnee- und Eisverhältnisse nutzlos. Das dünnere Eis erschwert die Versorgung mit Lebensmitteln und Transporte und macht Reisewege riskant oder unpassierbar. Gleichzeitig verschwinden mit dem Rückgang des Meereises und höheren Wassertemperaturen Beutetiere.

In Alaska im Norden Amerikas sind rund 200 indigene Dörfer an Küsten und Flüssen vom Auftauen des Permafrostbodens und der Erosion betroffen. Die Fundamente sind vielerorts beschädigt, die Selbstversorgung der arktischen Dörfer wird immer schwieriger. Zwölf Gemeinden fassten bereits den Beschluss zur Umsiedlung, unter ihnen das Dorf Shishmaref, dessen Einwohner sich im Jahr 2002 dazu entschieden, eine neue Siedlung auf dem Festland zu gründen. Künftig werden immer mehr Menschen gezwungen sein, umzusiedeln.

Anpassung an den Klimawandel sind bereits jetzt beobachtbar: Durch den Temperaturanstieg können auf der größten Insel der Welt neue Pflanzen angebaut und verstärkt Landwirtschaft betrieben werden. An der Westküste Grönlands beginnen bereits die ersten Bewohner mit dem Obst- und Gemüseanbau. Wird es also bald die nördlichsten Kartoffeln oder Erdbeeren der Welt auf dem Markt geben? Fest steht, die Landschaft wird sich verändern, andere Pflanzen werden sich ansiedeln.

Videos/Bilder

WDR (2022): Expedition in die Arktis – Planet Wissen.

ARTE Junior DE (2019): Die Arktis schmilzt.

Quellen & Weitere Links