15: Bangladesch

Ein Land, in dem Vieles zusammenkommt

Bangladesch besteht zum größten Teil aus einem tiefliegendem Flussdelta und flachem Land mit einem Netz von mehr als 230 Flüssen und weiteren Tausenden von Kanälen und Nebenflüssen. Ein Land also, indem Wasser ein wichtiger Bestandteil menschlichen Lebens ist – aufgrund des Klimawandels wird die Lebensquelle jedoch immer mehr zur Gefahr für die rund 165 Millionen Bewohner. Durch die lange Küstenlinie und die vielen Überschwemmungsgebiete ist Bangladesch äußerst anfällig für die Auswirkungen des Klimawandels. Diese beschränken sich jedoch nicht auf Überflutungen in den Küstengebieten, die vielfältigen Dimensionen sind im ganzen Land spürbar. Immer häufiger eintretende Naturkatastrophen wie tropische Wirbelstürme und Dürre sind zu erwarten. Aber auch der Monsun, der das Leben in Bangladesch maßgeblich mitbestimmt, wird nicht nur extremer, sondern auch schwerer einschätzbar für die lokale Bevölkerung. Gleichzeitig werden sich schleichende Prozesse wie die Erosion von Flussufern, der Anstieg des Meeresspiegels und die Bodenversalzung unvermindert fortsetzen. Insgesamt hat der Klimawandel also das Potenzial, das Leben und die Lebensgrundlage von Millionen von Menschen in Bangladesch zu zerstören. Vorrangige Anliegen werden laut Bangladeschs dritter nationaler Mitteilung an das UNFCCC im Jahr 2018 vor allem die Schlüsselsektoren: Wasserressourcen, Landwirtschaft, Küstenerosion und die menschliche Gesundheit sein.

Goruma (2022): Karte von Bangladesch.

Die Unberechenbarkeit des Monsuns

Bangladesch liegt in den Tropen und ist maßgeblich durch die Vormonsun-, Monsun- und Nachmonsun Zirkulation beeinflusst. Das Land erlebt damit einige der feuchtesten Monsune der Welt. Diese äußern sich in starken Niederschlägen und in vergangenen Jahren auch in wiederkehrenden Wirbelstürmen. Der Klimawandel hat starke Auswirkungen auf diese Zirkulation: Nicht nur werden die Monsunzeiten allmählich länger, auch die Temperaturen nehmen in den Wintermonaten zu und die Niederschlagsmuster werden immer unregelmäßiger. Diese Einflüsse haben das Potenzial, die Auswirkungen des Temperaturanstiegs auf die menschliche Gesundheit und die Lebensgrundlagen zu verstärken. Zudem tragen sie dazu bei, die ausgeprägte Saisonalität in Bangladesch auszuhöhlen und das, obwohl die dort lebende Bevölkerung stark von ihr abhängig ist und an sie angepasst lebt. Hinzukommt, dass mit dem Klimawandel, das Risiko tropischer Wirbelstürme steigt. In der Regel trifft alle zwei bis drei Jahre einer an Land und bringt starke Regenfälle, extreme Windgeschwindigkeiten und Sturmfluten mit sich. Daher ist es nicht überraschend, dass Bangladesch einem der höchsten Katastrophenrisiken der Welt ausgesetzt ist und 2019 auf Platz 22 von 191 Ländern des Inform Risk Index liegt. So ein Wirbelsturm könnte zukünftig jedes Jahr eintreffen und das Land vor enormen Herausforderungen stellen.

Den Kopf über Wasser halten

Die, vom Großteil der Bevölkerung in Bangladesch gesprochene, Sprache (Bengali) besitzt Hunderte Wörter für „Überschwemmung“ und „Flut“; etwa Barscha, die jährlichen Monsunregen, die die Felder bewässern, und Bonna, ungewöhnliche, zerstörerische Fluten. Es ist wenig überraschend, dass das Land auf Platz eins der am stärksten von Überschwemmungen bedrohten Länder weltweit ist. Durch den Klimawandel nehmen die wiederkehrenden Sturmfluthöhen bei tropischen Wirbelstürmen zu – damit verbunden ist die Gefahr von Deichbrüchen. Derartige Extremwetterereignisse sind hauptverantwortlich für den Verlust des bewohnbaren Landes innerhalb der Küstenzone und gefährdet die Bevölkerung und ihre existenzielle Grundlage zunehmend. Selbst dann, wenn die Fluten nicht das kostbare Ackerland davontragen, dringt das Meerwasser in ihre landwirtschaftlich genutzten Böden ein und erhöht die Bodensalzkonzentration ihrer Ackerflächen. Dieser Prozess beeinträchtigt bereits jetzt die Ernteerträge, verändert die Verteilung der Fischarten und das Potenzial der Aquakultur. Die an der Küstenzone lebenden bangladeschischen Gemeinschaften stehen im Zuge des Klimawandels vor immensen Herausforderungen. Einige Gemeinschaften reagieren und können durch ein ausgedehntes Netz an Poldern, die das Land umgeben, die direkten Auswirkungen des Klimawandels teilweise abmildern. Allerdings leben immer noch Menschen außerhalb dieser Polder, darunter tendenziell ärmere Gemeinschaften mit niedrigem Einkommen in schlecht geplanten und Marginalsiedlungen. Sie sind laut Delta Plan 2100 (umfassender Entwicklungsplan der Regierung) Teil von geschätzt 18 Millionen Menschen, die bis Mitte des Jahrhunderts aufgrund permanenter Überflutung gezwungen sein könnten, aus den Küstengebieten abzuwandern. Dabei sind vor allem junge Erwachsene im arbeitsfähigen Alter auf der Suche nach einem existenzsichernden Einkommen. Zurück bleiben primär Frauen, beeinträchtigte und alte Menschen mit begrenzter Widerstandsfähigkeit gegenüber Klimagefahren.

Munir Zu Zaman (2020): Eine Luftaufnahme aus dem Norden Bangladeschs: “Ein Fluss wie ein Meer”.

David Weyand (2017): Sandsäcke, temporäre Küstenschutz in Bangladesch.

Nach Flut folgt Krankheit

Die sich verändernden klimatischen Bedingungen haben sich nachteilig auf die körperliche und geistige Gesundheit der Bevölkerung Bangladeschs ausgewirkt. Mit steigender Temperatur und Luftfeuchtigkeit nehmen unter anderem Erkrankungen der Atemwege zu. Aber auch die Lebensbedingungen für Moskitos werden dadurch begünstigt: Der Klimawandel schafft in Bangladesch also ideale Bedingungen für eben jene Spezies. Infolgedessen nimmt die Ausbreitung des Dengue-Fiebers und somit auch das Risiko, sich zukünftig mit Malaria anzustecken zu – und dass (laut Weltgesundheitsorganisation) unabhängig davon, ob die Emissionsziele erreicht werden oder nicht. Allerdings wird geschätzt, dass bei einem Szenario mit hohen Emissionen (RCP8.5) 30 Millionen Menschen mehr gefährdet sein werden, sich mit der Krankheit anzustecken, als bei einem Szenario mit niedrigen Emissionen. Bei durch Wasser übertragenen Krankheiten werden die höchsten Übertragungsraten häufig während Hochwasserereignissen festgestellt. Die Begrenztheit der städtischen Abwassersysteme in den urbanen Gebieten Bangladeschs und ihre Anfälligkeit bei extremen Niederschlägen und Überschwemmungen dürften das Risiko des Ausbruchs von Krankheiten signifikant erhöhen.

Delta Plan 2100 – Hoffnung bleibt

Was kann Bangladesch tun, um diese Herausforderungen zu bewältigen? Der von der Regierung entwickelte Bangladesch Delta Plan 2100 setzt sich aus einem umfangreichen Maßnahmenkatalog zusammen, der genau solche Herausforderungen bewältigen will. Der Plan beinhaltet unteranderem die Schaffung von langfristiger Wasser- und Ernährungssicherheit und wirtschaftlichen Wachstums bei gleichzeitiger Gewährleistung ökologischer Nachhaltigkeit. Außerdem wollen sie die Anfälligkeit für Naturkatastrophen verringern durch integrierte Strategien. Darüber hinaus möchte eine gerechte Wasserbewirtschaftung gestärkt werden. Dies erfolgt unter anderem durch den Ausbau des Hochwasserschutzes durch beispielweise Polder und die Erhöhung und damit auch Stärkung, wichtiger Dämme, Barrieren und Wasserkontrollstrukturen zusammen mit der Verbesserung des Entwässerungssystems. Sowohl die Küsten als auch der urbane Raum sollen durch den Bau von anpassungsfähigen und hochwassersicheren Gebäuden weiter geschützt werden. Die Ausweitung des Fassungsvermögens von Regenwasserkanäle ist eine weitere Strategie, um der Zerstörung der Infrastruktur bei Hochwasser entgegenzuwirken. Dadurch würden Wirtschaftskreisläufe weniger gestört und die arme Bevölkerung könne insgesamt besser mit den Auswirkungen des Klimawandels umgehen und sich besser vor seinen Folgen schützen. Im Bereich des Gesundheitssektors kann vor allem die Verbesserung der Datenerfassungssysteme dem Land helfen, die Entwicklung klimasensibler Krankheiten besser zu verfolgen und mögliche Krankheitsausbrüche vorherzusagen. Darüber hinaus muss das Gesundheitssystem insgesamt gestärkt werden, um Ausbrüche von Infektionskrankheiten und anderen neu- oder wiederauftretenden klimasensibler Krankheiten zu verhindern. Der Handlungsbedarf in Bangladesch ist mit Blick auf den Klimawandel akut, – doch gibt es Visionen, die hoffen lassen.

Videos/Bilder

ARTE Reportage (2020): Bangladesch: den Kopf über Wasser halten.

Weltspiegel (2020): Klimawandel in Bangladesch – Lösung für eine neue Landwirtschaft.

Quellen & Weitere Links